Die Jenischen sind eine eigenständige, transnationale ethnische Minderheit mit eigener Sprache, eigener Kultur und eigenen Traditionen. Sie sind ein fester Bestandteil Deutschlands und Europas und doch führen sie meist ein Leben am Rande der Gesellschaft. Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zum Rassismus sind auch heute noch keine Seltenheit.

Beim Begriff Jenische oder Jänische handelt es sich um eine Selbst- und Fremdbezeichnung der Fahrenden und deren heute größtenteils sesshaften Nachkommen im deutschen Sprachraum. Jedoch sind in verschiedenen Ländern und Regionen weitere Beinamen entstanden. So werden sie beispielsweise auch als Fecker in der Schweiz, Karner in Tirol, Lakerten in Luxemburg, Mercheros in Spanien, Pavee in Irland oder Cant in England bezeichnet. Pavee und Cant aus Irland und Großbritannien werden auch Tinker oder Traveller genannt und sind soziologisch mit dem mitteleuropäischen Jenischen und den spanischen Mercheros vergleichbar, die von jenischen Kesselflickern aus Deutschland abstammen und um 1449 nach Spanien migrierten. Dass die Bezeichnung Mercheros auf das jenische Wort merchern, was so viel wie übervorteilen heißt, zurückgeht, gilt als gängige These. Auch regionalbezogene Fremdbezeichnungen wie z,B. Körberzeiner im Elsass oder Korbeni in der Schweiz meinten die Jenischen. Jenische gibt es in Deutschland, in der Schweiz, Österreich, Frankreich, Spanien und den Beneluxstaaten. Selbst in Italien und Tschechien gibt es Menschen die sich als Jenische bezeichnen. Was alle Gruppen jedenfalls verbindet, ist das Ausüben eines Wanderhandwerks, das Altwarensammeln und der Hausierhandel über die Jahrhunderte hinweg. Sowie eine eigene Identität, eine eigene Lebensweise, sehr enge Familienbande, ein von der Mehrheitsbevölkerung abweichendes Wertesystem und eine eigene Sprache.

Zur Herkunft der Jenischen lässt sich nur eines sicher sagen, nämlich dass sie auch bis heute so gut wie ungeklärt und unerforscht ist. Hingegen ist nomadisches Leben des fahrenden Volkes in Europa bis ins frühe Mittelalter und darüber hinaus belegt. Über die Entstehung der jenischen Volksgruppe ranken sich etliche Theorien und Mythen, so dass es unmöglich ist hier auf alle ausführlich einzugehen. Auch die bisher populärsten aber von der Wissenschaft noch nicht restlos erforschten Theorien geben bis heute keinen eindeutigen und zuverlässigen Aufschluss über die tatsächliche Entstehungsgeschichte der Jenischen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts taucht erstmals der Begriff „jenisch“ im Zusammenhang mit der Sprache der Fahrenden auf, was wiederum nicht bedeutet, dass sich nicht zuvor schon Menschen als Jenische verstanden. Betrachtet man die Umstände, zu welchen Zeiten, aus welcher Perspektive und welchem Zweck das Jenische zum ersten Mal als solches benannt und festgehalten wurde, erscheint es plausibel und wahrscheinlich, dass die Leute zuvor die Sprach- und Selbstbezeichnung streng geheim gehalten, teilweise öfters gewechselt und sogar vielfach mit Synonymen belegt haben. Unter anderem erschwert genau dieser Umstand der heutigen Wissenschaft Jenisch explizit von den verschiedenen Rotwelsch-Dialekten zu unterscheiden und abzugrenzen, da alle auch ein wenig Jenisch beinhalten. So finden sich im 1510 erschienenen Liber Vagatorum von Martin Luther zahlreiche Wörter, die bis heute in der jenischen Sprache gebräuchlich sind. Jenisch als Sprach-, jedoch nicht als Sprecherbezeichnung wurde zwar erst 1714 zum ersten Mal für eine Wortliste bei Friedrich Kluge (1901) angegeben, doch lassen einzelne Wortlisten des Spätmittelalters, die sich in der heutigen jenischen Sprache wiederfinden, auf eine ältere Geschichte des Jenischen und ihrer Sprecher schließen.

Durch ihre fahrende Lebensweise übten die Jenischen traditionell bestimmte Berufe und Gewerbe aus. Ob als Marktfahrer, Schausteller, Artisten, Musiker, Puppenspieler, Gaukler, Korbflechter, Pfannen- und Schirmflicker, Scherenschleifer, Besenmacher, Schrottsammler, Lumpensammler, Kurzwarenhändler, Antiquitätenhändler oder Wanderhandwerker. Mindestens seit dem Mittelalter drangen die Jenischen als fahrende Händler und Hausierer bis in die entlegensten Winkel und Ecken vor, um die Menschen mit Dingen des Alltags versorgten. Auch Wichtiges und Lebensnotwendiges kam auf diesem Weg an den Mann oder die Frau, wie beispielsweise Medikamente oder ein bestelltes Ersatzteil. Auch als Geschichtenerzähler, Nachrichtenüberbringer oder als Heiratsvermittler waren die Jenischen geschätzt. Doch trotz alldem blieben die Jenischen der Mehrheitsbevölkerung suspekt. Vermutlich, weil sie immer auf Reisen waren und keinen festen Wohnsitz hatten, weil sie anders waren, eine eigene Sprache sprachen, ihre eigene Musik machten und ihre eigene Art zu leben hatten. Oft wurden sie deshalb fälschlicherweise mit Sinti oder Roma verwechselt. Genau wie bei Sinti und Roma, gehören Ausgrenzung, Diskriminierung und Vertreibung seit jeher zum Alltag der Jenischen. So durften beispielsweise in Würzburg die Jenischen ihre Waren nur an drei Tagen des Jahres, zum sogenannten Killianfest, in der Stadt anbieten. Die Stadtbevölkerung sprach damals spöttisch vom „jenischen Adel“. Ansonsten war es ihnen, wie auch in anderen Städten verboten, innerhalb der Stadt ihrem Gewerbe nachzugehen.

Während des Nationalsozialismus blieb es nicht mehr nur bei Ausgrenzung und Diskriminierung. Durch die „Verordnung zum Blutschutzgesetz“, spätestens jedoch mit dem „Auschwitz-Erlass“ drohten Vertreibung, Verfolgung, Zwangssterilisierung und Ermordung. Als „weiße Zigeuner“, Zigeunermischlinge, Asoziale oder im Zuge der „Aktion Arbeitsscheu Reich“ wurden Jenische inhaftiert, deportiert und ermordet. Hunderte ließen ihr Leben, doch dürfte die Dunkelziffer sehr viel höher liegen, gibt es doch bis dato keine genauen Untersuchungen und Recherchen hierzu. Was daran liegt, dass die Jenischen bis zum heutigen Tag kaum beachtet oder besser gesagt schlicht ignoriert werden. Die Rassentheoretiker Robert Ritter und später Herman Arnold haben ganze Arbeit geleistet, wurden ihre abstrusen „Forschungsergebnisse“, Stichwort „RHF“, doch nach dem Krieg bis in die 1970er Jahre von Polizei und Behörden weiterhin genutzt.

Das in der Öffentlichkeit wohl bekannteste Schicksal eines Jenischen ist das des 14jährigen Ernst Lossa, das Dank Prof. Dr. med. Michael von Cranach und dem Autor Robert Domes in Buch und Film festgehalten wurde. Die tragische Geschichte des Ernst Lossa ist sicher vielen bekannt, nicht aber, dass er mit der „Giftspritze“ euthanasiert wurde, weil er ein Jenischer war.

Seit jeher hat man versucht, die Jenischen, ihre Kultur, ihre Lebensweise und ihre Sprache verschwinden zu lassen, doch gelungen ist es nicht einmal den Nazis. Einen großen Anteil daran haben natürlich auch jenische Schriftsteller, wie Romed Mungenast, Mariella Mehr, Heidi Schleich, Willi Wottreng und Engelbert Wittich, die zum einen eine Renaissance des jenischen Selbstbewusstseins einleiteten zum anderen Sprache, Kultur und Gebräuche der Jenischen niederschrieben und sie für die Nachwelt erhielten.

Zur Kultur und zur Lebensweise eines Jenischen gehört seit jeher das Reisen und das Ausüben bestimmter traditioneller Gewerbe (siehe oben). Beides ist vom Aussterben bedroht. Früher fand ein großer Teil des Lebens auf der Landstraße statt, wenn es mit der Familie und verschiedenen Waren auf die „Reis“ ging. Dass das Reisen von vielen Jenischen aufgegeben werden musste und heute ein großer Teil sesshaft lebt, hat viele Gründe. Maßgeblichen Anteil daran haben aber sicherlich immer neue Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Verbote, schlicht die Gängelung und Schikanierung durch Ämter, Behörden und die Gesetzgebung, die viele gezwungenermaßen zu Sesshaften machte. Doch gibt es Jenische, die ihr Gewerbe immer noch als „Fahrende“ ausüben oder zumindest die ganze Woche unterwegs sind. Im Zuge des stetig weniger werdenden Reisens haben sich vielerorts kleine „jenische Gemeinden“ gebildet. Nicht nur in der Ansiedlung Jenischer in Schillingsfürst, die auf den 30jährigen Krieg und dessen Folgen zurückgeht, ob in Lützenhardt, Matzenbach, Unterdeufstetten, Lahr, Offenburg, Freiburg, Singen, Bellheim, Kitzingen, Augsburg, Höchstädt oder in Ichenhausen, um nur einige zu nennen, fast im ganzen Bundesgebiet sind Jenische zu finden. Doch trotz dieser „jenischen Siedlungsgebiete“ sind die jenische Kultur und die jenische Sprache massiv gefährdet. Es drohen Assimilierung und Vergessen.

Die Jenischen waren und sind ein fester Bestandteil der europäischen Kultur und des europäischen Alltags. Sie verdienen den Schutz und Erhalt ihrer Kultur, ihrer Traditionen, ihrer Sprache und für sich und ihre Nachkommen eine Zukunft und die Chance ein Leben als Jenische, inklusive uralter Traditionen und ohne Angst vor Ausgrenzung und Diskriminierung führen zu können.